Warum liegt das neugeborene Christkind nackt auf dem Boden? Wieso ist es nicht in Windeln gewickelt und liegt in einer mit Heu und Stroh gepolsterten Krippe? Diese Darstellung der Geburt Christi folgt nicht dem Lukastext, sondern der Weihnachtsvision der hl. Birgitta von Schweden (1303–1373), einer Ordensgründerin und Mystikerin.
Während einer Pilgerreise ins Heilige Land 1372 hatte Birgitta eine Vision der Heiligen Nacht. Sie beschreibt, wie Maria mit offenen, goldglänzenden Haaren anbetend vor dem Neugeborenen kniet, das nackt vor ihr auf dem Boden liegt und überirdischen Glanz ausstrahlt. Kaum bekannt geworden, übte diese Vision großen Einfluss auf die bildende Kunst aus. Vor allem im 15. und 16. Jahrhundert, der Zeit der Gotik, begegnet uns diese Art der Geburtsdarstellung.
Die kleine Filialkirche St. Stephan in einem Ortsteil von Berg am Starnberger See birgt eine reiche Ausstattung der Spätgotik, darunter den qualitätvollen Flügelaltar aus der Zeit um 1500/1510. Sein namentlich nicht bekannter Schöpfer erhielt nach dem Altar den Notnamen „Meister des Mörlbacher Altares“. Stilistisch wird er im engen Umkreis des Meisters von Rabenden verortet.